Marken
in Corona Zeiten

Marken in Corona Zeiten

Chancen in der Krise? Wie sollte sich Markenkommunikation in Zeiten der Pandemie verhalten?

von René Heymann, 30.4.2020

Nachdem die Bundesregierung beschlossen hat, das öffentliche Leben drastisch einzuschränken, um dem Virus Einhalt zu gebieten, sitzen nicht nur Millionen Menschen zu Hause, sondern geht es auch mit der Wirtschaft steil bergab. Zwar haben sich die Börsenkurse etwas erholt, aber noch sitzt der Schock nach einem Verlust im DAX von fast 40 Prozent tief. In nur vier Wochen – von Mitte Februar bis Mitte März 2020 – stürzte der deutsche Leitindex von 13.789 auf 8.442 Punkte. Auch wenn er irgendwann zu alter Stärke zurückfinden wird, ist ein Ende der Turbulenzen vorerst nicht in Sicht. Marketingfachleute reiben sich verwundert die Augen. Und während sie noch darüber nachdenken, ob sie mit diesem Verhalten den aktuellen Hygieneempfehlungen gerecht werden, fragen sie sich vor allem: Was tun?

Foto: Velux „Indoor Generation“.

 

Reflexartig fahren viele Kunden ihre Marketingbudgets zurück. Aber ist das die richtige Strategie? Auf den ersten Blick erscheint die Reaktion verständlich: Die Tourismus- und Veranstaltungsbranche liegt am Boden. Auch wenn man über die besonders hart von der Krise betroffenen Branchen hinausblickt, zeigt sich, dass es der Weltwirtschaft durch Corona insgesamt deutlich schlechter geht. Chinas Wirtschaft bröckelt. Die chinesische Statistikbehörde meldet einen Einbruch von 13,5 Prozent – das größte Minus seit 30 Jahren. Allein Deutschlands Exporte nach China gingen in den ersten beiden Monaten der Krise um 17,2 Prozent zurück. Die Angst geht um. Womöglich steht plötzlich der eigene Arbeitsplatz auf der Kippe. Also besser schnell alles zurückfahren und die Marketingausgaben auf das Nötigste eindampfen? In Zeiten der Corona-Pandemie macht es schließlich wenig Sinn, irgendwem eine Traumreise zu verkaufen.

Dennoch: Wie in jeder Krise gibt es auch Gewinner. Marken, die die Zeichen der Zeit erkannt haben. Amazon stellt weltweit über 100.000 Menschen ein, weil man sich vor neuen Bestellungen kaum retten kann. Pornhub spendiert den Italiener*innen einen kostenlosen Premium-Zugang. Die Berliner Philharmoniker bieten Online-Konzerte gratis in ihrer bislang kostenpflichtigen Digital Concert Hall an. Was passiert da gerade?

 

Corona geistert durch alle Kanäle – und nervt gewaltig!

Foto: JONGHO SHIN via Getty Images

Während das öffentliche Leben weitgehend erstirbt, haben die Menschen mehr Zeit – und die will gefüllt werden. Wer zu Hause festsitzt und nicht weiß, wie er seine Tage herumbringt, möchte zumindest unterhalten werden, erhofft sich ein wenig Ablenkung vom täglichen Pandemie-Wahnsinn. „Brot & Spiele“ – einige Marken erkennen diese Chance und nutzen sie, um sich in den Herzen und Köpfen zu verankern.

 

 

 

 

Mensch Marke: sympathisch ohne zu verkaufen.

Gerade jetzt können Marken Ihr Image verbessern und an Reichweite zulegen. Während sich die Menschen nur langsam an die neue Situation gewöhnen, sollten Marken die Chance nutzen und eine emotionale Beziehung zu ihren Kunden herstellen, wie sie in normalen Zeiten kaum erreichbar wäre. Die Lösung für authentische Kommunikation in der Krise heißt Branded Entertainment Content.

Sinnstiftung kann manchmal auch einfach sein. In schwierigen Zeiten erinnert man sich gerne an die, die einem geholfen haben, das Leben „etwas besser“ zu machen. Marken sollten sich jetzt um das Gemeinwohl kümmern. Damit meine ich nicht, dass nun jede Marke ihre CSR-Aktivitäten hochfahren sollte, denn dies könnte schnell als unangemessen wahrgenommen werden. Marken müssen sich vielmehr um das Wohlbefinden der Menschen sorgen. Mit echter Unterhaltung, am besten in Serie.

Ein George Clooney, der mit „Nespresso, what else“ um die Herzen von Kaffee-Connaisseurs wirbt, hat plötzlich die Chance, ganz anders wahrgenommen zu werden. Wenn schon die Welt den Bach runtergeht, dann bitte mit einer dampfenden Tasse Nespresso, einem guten Buch, einem mitreißenden Film oder etwas anderem, das man zu Hause genießen kann. Und mal ehrlich, da gibt es eine ganze Menge, was uns wichtig ist. Was man schon immer machen wollte, und wofür einem immer die Zeit fehlte. Und ich rede hier nicht von der Steuererklärung! Wie wär‘s zum Beispiel mit einem Online-Sprachkurs? Oder der Erstellung eines Online-Albums mit den gesammelten Familienfotos? Sie könnten auch Ihrer zerschrammten, aber sehr charmanten Kommode endlich einen frischen Anstrich verpassen. Plötzlich gibt es 1000 Dinge, mit denen man sich beschäftigen kann. Und dazu auch die nötige Zeit.

Unsere Aufmerksamkeit verändert sich gerade, besonders im digitalen Raum. Millionen von Menschen surfen plötzlich zu Tageszeiten, zu denen sie normalerweise in einem Meeting oder im Auto sitzen würden. Sie suchen händeringend nach Informationen – um sich von Corona abzulenken! Eine gute Möglichkeit, um sich als Marke sympathisch ins Gespräch zu bringen. Da Zeit im Übermaß vorhanden ist, sind Marken, die unterhalten, plötzlich hochwillkommen.

 

Unterhalten sie doch zur Abwechslung einfach mal

Entertainment pur. Foto: MuseumMomentofZen: Beruhigende Kunst in Corona-Zeiten | Kunst …(Vgl. https://www.swr.de/swr2/kunst-und-ausstellung/beruhigende-kunstwerke-in-unruhigen-zeiten-100.html)

Gerade jetzt in der Krise ist die Sichtbarkeit und Wahrnehmung von Unternehmen und Marken viel höher als gewöhnlich – einfach weil es weniger Wettbewerb im Marketing gibt. Die B2B- oder B2C-Marken, die jetzt aktiv bleiben, haben die Chance, ihren Marktanteil zu vergrößern, weil sie eher gehört werden. Wenn die Wirtschaft erst wieder in Gang kommt, was noch längere Zeit dauern dürfte, wird auch der Wettbewerb naturgemäß wieder anziehen. Bis dahin haben einige Marken ihren Marktanteil vergrößert, während andere sich noch die Wunden lecken.

Das hat Konsequenzen für das Marketing. Wer jetzt auf Biegen und Brechen verkaufen möchte, der kann das tun, muss aber akzeptieren, dass viele Menschen genervt reagieren. Alle anderen sollten sich vom Verkauf als primärem Ziel verabschieden. Wer seine Marke in ein neues Licht tauchen möchte, wer anders oder neu wahrgenommen werden möchte, der sollte sich jetzt richtig ins Zeug legen. Denn in der Krise können Marken Vertrauen (zurück-) gewinnen, indem sie unterhalten – und nicht nur verkaufen wollen. Nach der Krise wird sich herausstellen, dass Marken, die jetzt sensibel auf die ungewohnte Situation reagieren und die richtigen Mittel einsetzen, ihren Kundenstamm nicht nur behalten, sondern sogar neue Kunden hinzugewonnen haben.

 

Und was wird in der Krise aus den Mitarbeitern?

Foto: Seit Jahrzehnten fast unverändert, der Gallup Engagement Index

Betrachten wir effizientes Krisenmarketing noch kurz aus einer anderen Perspektive: Etliche der Millionen Menschen, die gerade ziemlich isoliert und ohne den üblichen Austausch mit ihren Kollegen im sogenannten Homeoffice sitzen, denken darüber nach, ob sie sich nicht doch einmal nach einem neuen Arbeitgeber umschauen sollten. Endlich haben sie Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen.

Als Employer Brand hat man jetzt die größten Chancen, neu, anders oder überhaupt wahrgenommen zu werden. Immerhin sind in Deutschland laut aktueller Gallup-Studie 85 Prozent der Mitarbeiter latent unzufrieden mit ihrem Job. Die sitzen womöglich alle vor Ihrem Homesreen und warten nur auf die richtige Botschaft Ihres Unternehmens.

 

Sie können also nur gewinnen, wenn Sie jetzt damit beginnen, Ihre Marke, Ihre Employer Brand, Ihre Organisation aus ihrer DNA heraus zu erzählen. Und zwar mit Geschichten in Serie, die sich die Menschen freiwillig und gerne anschauen. Weil diese Geschichten sie zum Lachen oder zum Weinen bringen, weil sie Emotionalität und Wärme ausstrahlen.

An der Börse gibt es ein alte Regel: Fließen auf den Straßen Blut und Tränen, ist es Zeit, zu kaufen. Für Marken in Zeiten der weltweiten Pandemie bedeutet dies: Es ist die richtige Zeit, um mit Branded Entertainment ihr Image aufzuwerten, an Bekanntheit zu gewinnen und den eigenen Marktanteil signifikant zu steigern. Also, worauf warten Sie noch? Nie waren die Chancen besser als heute!

René Heymann
CEO von HeymannBrandt

Seit über 30 Jahren Experte in der emotionalen Markenkommunikation

 

Titelbild: Shutterstock